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- 55 Allianzwappen von 1896
© Alexander Kühn
Das 1896 geschaffene Allianzwappen von Herzog Alfred von Sachsen-Coburg und Gotha (1844-1900) und dessen Gemahlin, der Großfürstin Maria Alexandrowna von Russland (1853-1920) gehört zur jüngsten Ergänzung der Wappen im Gothaer Schlosshof. Unmittelbar nach dem Regierungsantritt Alfreds im Jahre 1893 kam es zu umfassenden Umbauten zur Schaffung moderner Appartements für das Regentenpaar im Ostflügel des Schlosses. Zu deren Erschließung modernisierte man auch das östliche Haupttreppenhaus. Den Abschluss der Arbeiten bildete 1896 die Erbauung der „Vorfahrt“ in Form eines Altans in der Nordostecke des Schlosshofes, um die herzoglichen Familie trockenen Fußes direkt aus der Kutsche durch den Windfang in das beheizte Treppenhaus geleiten zu können. Die Brüstung des Altans ist mit einem von zwei Löwen als Wappenhalter flankierten Allianzwappen geschmückt. Es besteht aus dem oben einander zugeneigten persönlichen Wappen Alfreds als Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha und dem „Kleinen Wappen des russischen Reichs“ für die Zarenfamilie Romanow. Über den Wappenschilden liegt ein mit dem Fürstenhut bekrönter Wappenmantel. Das Wappen ist ein Werk des Leipziger Bildhauers Adolf Lehnert (1862-1948), weitere plastische Arbeiten am Altan stammen vom Erfurter Bildhauer Dübeler.
Herzog Alfred wurde am 6. August 1844 als zweiter Sohn der britischen Königin Victoria und deren Gemahls Prinz Albert von Sachsen-Coburg und Gotha geboren. Er trug die Titel Prinz von Großbritannien und Irland, Duke of Edinburgh, Earl of Kent und Earl of Ulster. Als sein Onkel Herzog Ernst II. von Sachsen-Coburg und Gotha am 23. August 1893 ohne legitime Nachkommen starb, übernahm Alfred, der bis dahin als Admiral der britischen Flotte diente, die Regentschaft über das Herzogtum. Sein älterer Bruder Albert Edward, der Prince of Wales und spätere König Edward VII. von Großbritannien, hatte auf die Thronfolge verzichtet. Als Staatsoberhaupt des Herzogtums erhielt Alfred ein Wappen, das seinen Titel als Herzog von Sachsen-Coburg und Gotha als auch seine britischen Titel beinhaltete. Die zwei für England stehenden gekrönten Löwen als Wappenhalter und der Fürstenhut bilden auch die Rahmung des Allianzwappens. Lediglich die sechs Helmzierden für die Herzogtümer Sachsen, Jülich, Kleve und Berg, der Markgrafschaft Meißen und der Landgrafschaft Thüringen fanden auf dem plastischen Relief der Altanbrüstung keinen Eingang. Auch auf die Darstellung des Hosenbandordens „Honi soit qui mal y pense (Ein Schelm, der Böses dabei denkt)“, in den Alfred 1863 aufgenommen worden war, und den Leitspruch „Treu und Fest“ wurde verzichtet.
© Sodacan
Das persönliche Wappen Herzog Alfreds besteht aus dem Hauptschild mit der sächsischen Raute und dem darin liegenden Mittelschild, dem Wappen des seit 1801 bestehenden Vereinigten Königreiches von Großbritannien und Irland, dem heute noch gültigen „Royal Standard“. Der quadrierte Schild zeigt im ersten und vierten Feld das Wappen des von 927 bis 1707 bestehenden Königreichs England mit jeweils drei schreitenden goldenen Leoparden auf rotem Grund. Das obere zweite Feld steht für das von 843 bis 1707 unabhängige Königreiche Schottland mit dem steigenden roten Löwen in Gold. Im dritten Quadranten steht eine goldene Harfe auf blauem Grund für das von 1541 bis 1801 existierende Königreich Irland, das 1801 mit dem seit 1707 bestehenden Königreich Großbritannien verbunden wurde. Seit der Unabhängigkeit der Republik Irland (1921) steht dieses Wappen nur noch für Nordirland.
Zur Unterscheidung der persönlichen Wappen der einzelnen Mitglieder des britischen Königshauses und als Unterschied zum „Royal Standard“ bekommt jedes Mitglied seit 1340 einen heraldisches Turnierkragen in Form eines silbernes Bands mit drei „Lätzen“ auf den oberen Teil des Wappenschilds gelegt. Diese haben unterschiedliche Anordnung und Bedeutung. Das „Cadancy label“ auf dem Wappen Herzog Alfreds zeigt ein Latz mit einem roten Kreuz auf silbernem Grund zwischen zwei Lätzen mit einem blauen Anker auf Silber. Das rote Kreuz steht für St. Georg, den Schutzpatron Englands. Der blaue Anker ist das Symbol der Hoffnung oder steht für den „naval service“, den königlichen Marinedienst.
© Wikimedia Commons
Am 23. Januar 1874 heiratete Alfred die Großfürstin Maria Alexandrowna Romanowa im St. Petersburger Winterpalais. Sie war die zweite Tochter von Zar Alexander II. von Russland und dessen erster Frau Maria, die eine geborene Prinzessin von Hessen-Darmstadt war. Ihr vom Wappen des Gemahls an der Ecke leicht überdeckte Wappen an der Brüstung des Altans im Gothaer Schlosshof ist das ihr von Geburt an zustehende Wappen des Russischen Reichs. Die hier dargestellte Form des „Kleinen russischen Wappens“ war zwischen 1883 bis 1917 gültig.
Der mit der Krone des russischen Reiches gekrönte, goldbewehrte und rotbezungte schwarze Doppeladler steht unter derselben Zarenkrone mit dem blauen Band des „Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen“. Er hält in seinen Klauen das russische Reichszepter und den russischen Reichsapfel. Im roten Brustschild ist St. Georg ähnlich dem Moskauer Wappen in silberner Rüstung und blauem Umhang auf einem aufbäumenden Schimmel dargestellt, wie er den goldenen Drachen in den Rachen spießt. Um den Wappenschild hängt der „Orden des Heiligen Andreas des Erstberufenen“. Den Doppeladler übernahmen die Moskauer Großfürsten vom byzantinischen Kaiserreich, in dessen Tradition sie sich durch die Heirat mit der Nichte des letzten byzantinischen Kaisers sahen.
Auf den Adlerflügeln liegen jeweils vier Wappenschilde. Auf der heraldisch rechten Seite ist von oben nach unten dargestellt: Ein goldgekrönter und -bewehrter, rotflügeliger schwarzer Basilisk mit roter Schwanzspitze auf silbernem Grund, ein goldgekrönter und -bewehrter silberner Adler auf silbernem Grund, auf Gold ein goldgekrönter und –bewehrter schwarzer Doppeladler mit goldgerändertem blauen Brustschild, worin ein orthodoxes Kreuz liegt. Der untere Schild spaltet in Blau und Rot und einer silbernen Spitze mit blauem Schildfuß. Heraldisch rechts steht Erzengel Michael in silberner Rüstung mit rotem Flammenschwert und silbernem Schild. Links ein steigender goldgekrönter, goldener gelöwter Leopard mit einem silbernen Vortragekreuz auf rotem Grund. Auf der mittig liegenden silbernen Spitze steht zwischen zwei zugewendeten schwarzen steigenden Bären ein goldener Thron mit rotem Bezug, vor dem sich ein goldenes Zepter und ein goldenes Vortragekreuz überkreuzen. Drei brennende Kerzen auf einem goldenen Kerzenständer stehen darüber. Im blauen Schildfuß wenden sich zwei silberne Fische zu.
Der heraldisch linke Flügel zeigt von oben nach unten: Eine grüngefütterte goldene Königskrone über einem nach rechts zeigenden silbernen Säbel mit goldenem Griff auf blauem Grund, einen mit Hermelin belegten Schild mit zwei schwarzen, steigenden zugewendeten Zobeln unter einer goldenen Adelskrone, die zwei nach unten weisende rote überkreuzte Pfeile halten. Auf einem goldenen Schild ist St. Georg in silberner Rüstung und rotem Umhang auf einem sich aufbäumenden schwarzen Rappen dargestellt, wie er einen grünen Drachen in den Rachen spießt. Das letzte der acht Schilde zeigt einen goldgekrönten goldenen steigenden Löwen mit silbernem Schwert und silbernem Säbel, von acht silbernen Rosen umgeben auf rotem Grund.
Das teilweise stark verwitterte Wappenrelief an der Altanbrüstung war nie farbig gefasst. Entsprechend des Zeitgeschmacks war 1896 die reine Materialsichtigkeit in Mode, so dass der Stein zur besseren Darstellung der Wappen mit tiefen Reliefs versehen worden war. Auch wenn seit November 1918 Schloss Friedenstein nicht mehr dem fürstlichen Willen unterlag, wurde das Allianzwappen, entgegen anderer Wappendarstellungen, nie zum Gegenstand politischer Bilderstürmerei. Lediglich die Kreuze auf den drei Kronen fielen im 20. Jahrhundert wohl Vandalismus zum Opfer. Zwar erwog man während der Generalsanierung des Schlosses in den siebziger und achtziger Jahren des 20. Jahrhunderts seitens des Instituts für Denkmalpflege Erfurt einen Rückbau des gesamten Altans, um den Zustand des Schlosses im 17. Jahrhundert wiederherzustellen, vermutlich verhinderte aber der Mangel an Handwerkern und Material die Umsetzung.