Die Thüringische Residenzenlandschaft
Auf dem Weg zum UNESCO-Welterbe

Die Thüringische Residenzenlandschaft hat sich 2021 auf den Weg zum UNESCO-Welterbe gemacht. Zwar hat es der Vorschlag zunächst nicht auf die im Dezember 2023 von der Kultusministerkonferenz beschlossene aktuelle deutsche Tentativliste für das UNESCO-Welterbe geschafft – dennoch wir an dem Vorhaben weiter gearbeitet.

Thüringen zeichnet sich durch eine besonders hohe Dichte fürstlicher Residenzen unter­schiedlicher Dynastien aus, wie sie typisch für das Heilige Römische Reich Deutscher Nation war. Es bestand vom Mittelalter bis zu seinem Untergang 1806 aus einer Vielzahl solcher Zentren. Seine Residenzen beherbergten Gerichts- und Verwaltungsbauten wie Amtshäuser, Kanzleien und Ministerien. Diese föderale, kleinteilige Staatsstruktur blieb nur in Thüringen bis heute nachvollziehbar erhalten.

Als Garant für Rechtssicherheit und Stabilität im Innern war das Heilige Römische Reich schon seit der Frühen Neuzeit nicht mehr zu offensiver Kriegs­führung fähig. In seinen Territorien ­blühten Künste und Wissen­schaften auf. Der kulturelle Pluralismus des Reichs prägte auch Thüringen. Bis in das frühe 20. Jahrhundert machten seine Fürsten Politik vor allem durch Kultur und Wissenschaft: mit Bibliotheken und Kunst­sammlungen, mit Musik und Theater. Die vielfältige Architektur und Landschaftsgestaltung profitierten davon. Künstler und Architekten wirkten für verschiedene Dynastien. Auf diese Weise entwickelte sich ein übergreifender Charakter der Thüringischen Residenzenland­schaft.

Prachtvolle und mächtige Schlossanlagen prägen sie und zeugen vom Status ihrer ehemaligen Besitzer als Reichsfürsten. Ihre markanten Turmbauten dominieren weithin sichtbar verhältnismäßig kleine Residenzstädte. Bauteile vergangener Epochen wurden als Zeichen von Alter und Kontinuität bewahrt. Sie vermitteln den Herr­schaftsanspruch der thüringischen Fürsten. In ihren Raumfolgen, Fest- und Riesensälen, Treppenhäusern und Schlosskapellen spiegelt sich das Zeremoniell fürstlicher Residenzen.

Contact
Welterbe-Kompetenzzentrum
Thüringische Residenzenlandschaft

Claudia Schönfeld M.A.
03 67 2/44 72 81
0173/4867515

welterbe@thueringerschloesser.de

Download Flyer
„Thüringische Residenzenlandschaft auf dem Weg zum Welterbe“

Neun Residenzen in acht Residenzstädten

Die neun ausgewählten  Residenzanlagen Thüringens verdeutlichen in ihrer Gesamtheit die kleinteilige Herrschaftsstruktur des Heiligen Römischen Reichs. Sie enthalten alle die typischen funktio­nalen Elemente von Residenzen eigenständiger, jedoch mindermächtiger Reichs­fürsten und befinden sich in acht Residenzstädten:

null

UNESCO-Welterbe

null

News

Auf einem Porphyrfelsen im Nord­osten Thüringens liegt das Residenzschloss Altenburg. Schon im 10. Jh. wurde die Höhenburg erstmals erwähnt. Unter Kaiser Friedrich I. Barbarossa wurde die Altenburg im 12. Jh. als Kaiserpfalz ausgebaut. Seit 1307 im Besitz der Wettiner wurde das Residenzschloss bis in das frühe 20. Jahrhundert weiterentwickelt. Residenzstadt und -schloss Altenburg verdeutlichen in exemplarischer Weise den Wandel eines Fürstensitzes vom Mittelalter bis zum Ende der Monarchie, von der mittelalterlichen Burg und Kaiserpfalz, über die barocke bis zur modernen Residenz einer konstitutionellen Monarchie mit Parlament. Schloss Altenburg war ab 1603 Residenz der Herzöge von Sachsen-Altenburg.

Nach dem Aussterben der Altenburger Linie 1672 wurde mit Gotha  das Herzogtum Sachsen-Gotha-Altenburg gegründet. Das Herzogtum Sachsen-Altenburg erlangte 1826 erneut  seine Eigenstän­digkeit und behielt diese bis 1918. Als Ringburg umfasst die Altenburg so Gebäudeteile aus dem Mittelalter, von der Romanik bis zur Spätgotik, der Renaissance, des Barock, der Neogotik und Neo­renaissance. Von 1705 bis 1712 wurde die Altenburg zum Schloss mit Repräsen­tations- und Wohnräumen ausgebaut. Das mächtige Corps de Logis wurde auf stark abschüssigem Terrain im Westen an die mittelalterlichen Ringburg angefügt. Es enthält einem Festsaal des preußischen Hofbaumeisters Friedrich August Stüler im Stil der Neorenaissance.

Weimar liegt im Zentrum des Thüringer Beckens. Seit 1299 ist es im Besitz der Wettiner. Kurfürst Johann Friedrich I. von Sachsen baute Weimar nach 1531 als seine Hauptresidenz aus­. Aus dieser Zeit stammt das Schlossportal „Bastille“ mit einem kurfürstlichen Bildprogramm. Es beherbergte Kanzleiräume, Ratsstube und Konsistorium. Als Zeugnis verlorener Kurwürde blieb die Bastille bei allen späteren Umbauten erhalten. Nach der Abdankung des Großherzogs 1918 konstituierte sich im Schloss die erste republikanische Regierung. Im ehemaligen Hoftheater tagte 1919 die Nationalversammlung der Weimarer Republik. So ist der Wandel einer fürstlichen Residenz zur modernen Demokratie der Weimarer Republik in Schloss und Residenzstadt Weimar erlebbar.

Um 1800 wurde Weimar zum europaweit beachteten geistigen Mittelpunkt Deutschlands. Die kulturelle Blüte Weimars schlug sich in einem Höhepunkt klassizistischer Schlossbaukunst nieder: Unter Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach wurde nach 1789 eine Residenzanlage begonnen, an deren Baukommission Johann Wolfgang Goethe maßgeblich beteiligt war. In dieser von Toleranz und Vielfalt geprägten Zeit entwickelte sich durch die räumliche Nähe von Residenz und Stadt auch eine zunehmend enge Beziehung zwischen Souverän und Bürgern. Seit 1998 ist das Weimarer Residenzschloss Teil der Welterbestätte „Klassisches Weimar“.

Das Gothaer Residenzschloss Friedenstein mit seinen beiden mächtigen Turmbauten liegt weithin sichtbar auf einem leicht erhöhten Plateau im südlichen Thüringer Becken. Errichtet am Ort der 1567 geschleiften Burg Grimmenstein war Schloss Friedenstein von 1640 bis 1894 Hauptresidenz und Verwaltungssitz des Herzogtums Sachsen-Gotha. Grund für seine immense Größe war die Beherbergung sämtlicher Funktionen einer Residenz unter einem Dach: Verwaltungs- und Wirtschaftsräume, Zeughaus, Münze, Archiv und Theater. Als weltweit größtes Schloss seiner Zeit wurde Friedenstein zum Prototyp des Schlossbaus im Heiligen Römischen Reich.

Um Schloss Friedenstein und die barocken Gärten der Orangerie erstreckt sich einer der frühesten Englischen Landschaftsgärten auf dem Kontinent. Wegen der verwandtschaftlichen Verbindung mit England konnte hierfür der englische Gärtner John Haverfield aus Kew Gardens gewonnen werden. Als das Haus Sachsen-Gotha-Altenburg 1825 ausstarb, fiel Gotha an Sachsen-Coburg. Dennoch erlosch die Bautätigkeit in Gotha nicht: Ernst II. ließ un­mittelbar südlich von Schloss Friedenstein das Herzogliche Museum im Stil der Neorenaissance er­richten. Ein Tannen­garten wurde als Erweiterung seiner naturkundlichen Sammlungen angelegt. Auch Ernst II. war über seinen Bruder Prince Albert eng mit dem britischen Königshaus verwandt.

Meiningen befindet sich im Südwesten Thüringens inmitten einer bewaldeten Hügellandschaft. Sein barockes Residenzschloss Elisabethenburg beherbergte wie auch Schloss Friedenstein in Gotha alle Funktionen einer Residenz unter einem Dach. Die Prunk- und Wohnräume befanden sich im Westflügel der vierflügeligen Anlage. Im halbkreisförmigen Ostflügel war die herzogliche Verwaltung untergebracht. Noch heute befindet sich hier die kommunale Verwaltung Meiningens. Der „Rundbau“ und auch der vorgelagerte Treppenturm von Schloss Elisabethenburg stellen innovative, raumsparende Lösungen für den wachsenden Bedarf einer Residenz dar.

Ältester Teil der Anlage ist die ehemalige Fürstbischöflich-Würzburger „Meininger Burg“ im Norden. Als 1680 Herzog Bernhard das Herzogtum Sachsen-Meiningen erhielt, wählte er diesen sogenannten „Bibrabau“ von 1511 als Ausgangspunkt für Schloss Elisabethenburg. Im Südflügel befindet sich die Schlosskirche mit einem Festsaal darüber, der später als Theater genutzt wurde. Unter dem liberalen Herzog Georg II. entwickelte sich Meiningen im 19. und frühen 20. Jahrhundert zu einem Zentrum der Musik und des Theaters. In Meiningen ist der Wandel eines barocken Fürstensitzes zu einem Thüringer Mittelzentrum innerhalb des modernen deutschen Föderalstaates nachvollziehbar.

Coburg befindet sich südlich des Thüringer Waldes im heutigen Bundesland Bayern. Sein Residenzschloss Ehrenburg liegt inmitten der Stadt. Seinen Namen „Ehrenburg“ soll ihm Kaiser Karl V. verliehen haben, da Johann Ernst von Sachsen-Coburg für das ab 1543 errichtete Schloss keine Fronarbeit nutzte. Unter dem späteren Herzog Ernst I. von Sachsen-Coburg und Gotha wurde ab 1810 erneut an der Ehrenburg gebaut. Karl Friedrich Schinkel wandelte sie in eine englisch anmutende, neogotische Anlage um und bewahrte dabei Teile des alten Residenzschlosses. Es entstand die erste Residenz im historistischen Stil.

Auch der kreisförmige Schlossplatz entstand ab 1825 unter Mitwirkung Karl Friedrich Schinkels und Peter Joseph Lennés. Er wird gesäumt von dem klassizistischen Coburger Landestheater und dem Palais Edinburgh. Östlich der Ehrenburg liegt ein Englischer Landschaftsgarten. Dieser Hofgarten erstreckt sich bis zur Veste Coburg. Ernst I. war eng verwandt mit dem britischen Königspaar: Er war zugleich Onkel von Queen Victoria wie auch Vater von Prinzgemahl Albert. So zeugen Schloss Ehrenburg und sein Hofgarten vom wechselseitigen Austausch beider Länder in Architektur und Landschaftsgestaltung.

Die Ehrenburg enthält das früheste heute noch erhaltene napoleonische Thronappartement. Es entstand 1816 nach dem Vorbild des 1871 abgebrannten Pariser Tuilerien-Palasts.

Im Nordwesten Thüringens liegt leicht oberhalb der gleichnamigen Stadt Schloss Sondershausen. Ein mächtiger, mittelalterlicher Wohnturm mit anschließenden Renaissancetrakten dominiert das außergewöhnliche, fast dreieckige Residenzschloss der Fürsten von Schwarzburg-Sondershausen. Die späteren Flügel stoßen im spitzen Winkel an der Nordwestecke aufeinander. Hier befindet sich der Haupteingang mit Durchfahrt und offenem Treppenhaus. Die zeitliche und stilistische Vielschichtigkeit von Schloss Sondershausen weist auf die Bedeutung alter Gebäudeteile hin. Als Zeichen einer langen Ahnenlinie waren sie wichtiges Mittel der Herrschaftslegitimation.

Bereits 1287 wurde in Sondershausen eine Burg der Thüringer Landgrafen erstmals erwähnt. Seit 1356 gehörte das Schloss den Grafen von Schwarzburg und wurde schließlich 1571 Sitz einer eigenen Linie: Schwarzburg-Sondershausen. Mit ihrer Erhebung in den Reichs­fürstenstand 1697 wurde es umfangreich ausgebaut. Kanzlei und Verwaltungsräume waren Teil der Schlossanlage. Neben den Stallungen und Remisen war auch das barocke Achteckhaus im Park Zeugnis für die Funktion der Schwarzburger als Erzstallmeister des Reichs: Im Innern des dreigeschossigen Saalbaus befand sich ein hölzernes Pferdekarussell zum Hofvergnügen.

Im Südosten Thüringens liegt auf einem steilen Felsen oberhalb Rudolstadts das Residenzschloss Heidecksburg. 1264 wurde es erstmals urkundlich erwähnt. Seit 1364 ge­hörte die Heidecksburg den Grafen von Schwarzburg. Ihre Erhebung in den Reichsfürstenstand 1710 bewirkte umfangreiche bauliche Veränderungen der Heidecksburg. Dabei blieb der Nordflügel im Stil der Renaissance­ erhalten. Hier waren die fürstlichen Ministerien untergebracht. Den markanten Schlossturm entwarf 1744 der Weimarer Baumeister Gottfried Heinrich Krohne.

Der Marstall, die Pferdeschwämme und das Reithaus zeugen von der Funktion der Schwarzburger als Erzstallmeister des Heiligen Römischen Reiches. Rampen und Pferdetreppen führen vom Innenhof auf die unteren Terrassen. Auf der unteren Ebene befindet sich inmitten der Baumgruppen des früheren Englischen Landschaftsgartens ein außergewöhnliches architektonisches Juwel: das Rudolstädter Schallhaus. Das Innere besteht aus mehreren Etagen: Schallsaal, Empore und Schallraum. Sie bilden zusammen einen außergewöhnlichen Klangkörper. Diese besonderen akustischen Elemente gehen auf die 1774 abgebrannte Weimarer Schlosskapelle „Himmelsburg“ zurück.

Im Osten Thüringens inmitten des hügeligen, waldreichen Thüringer Vogtlandes befindet sich die Residenzstadt des Hauses Reuß: Greiz. Die Reußen haben zahlreiche Landesteilungen vorgenommen, in deren Folge immer neue Residenzen entstanden, jedoch blieben die einzelnen Landesteile juristisch eine Herrschaft. Rund 200 Jahre bis 1768 regierten aus Greiz zwei Linien des Hauses Reuß parallel aus einer gemeinsamen Residenzstadt: 150 Jahre davon in Ober- und Untergreiz. In Greiz manifestiert sich die räumliche Kleinteiligkeit der Thüringischen Residenzenlandschaft als Abbild der territorialen Struktur des Heiligen Römischen Reichs am deutlichsten.

Oberes Schloss Greiz

Im Nordwesten der Altstadt erhebt sich das Obere Schloss Greiz als Höhenburg auf einem etwa 50 m hohen, schmalen Bergkegel. Sein schlanker Bergfried liegt erhöht und weithin sichtbar auf einem Felsen. Seit dem Ende des 13. Jh. war die vor 1189 er­richtete Höhenburg im Besitz des Hauses Reuß. Die ellipsenförmige Burganlage umfasst mittelalterlichen Palas und Doppelkapelle, Renaissancetrakt und barockes Hohes Haus. Seitdem Ende des 18. Jahrhunderts das modernere Untere Schloss Hauptresidenz wurde, beherbergte das Obere Schloss die Landesverwaltung.

In Sichtweite des Oberen Schlosses befindet sich das Untere Schloss knapp 200 Meter süd­östlich. Die dortige Jüngere Linie des Hauses Reuß starb nach fast 200 jähriger Regierungszeit 1768 aus. Als Reuß Älterer Linie zehn Jahre später in den Reichsfürstenstand erhoben wurde, wählte sie als Hauptresidenz das modernere Untere Schloss. Im Nordosten wird dessen klassizistische, dreiseitige Anlage von der Stadtkirche St. Marien begrenzt. Sie bildet mit dem Unteren Schloss ein Ensemble. Nach einem verheerenden Stadtbrand 1802 wurde das Untere Schloss wieder klassizistisch aufgebaut und 1884/85 um das gründerzeitliche Ida-Palais mit Wintergarten und Zwiebelturm ergänzt.

Summer Palace and Park in Greiz

Westlich des Schlossberges erstreckt sich am Ufer der Weißen Elster der beinahe 50 ha große Fürstlich Greizer Park. Der ursprünglich barocke Lustgarten wurde seit 1800 zum Englischen Landschaftsgarten umgestaltet. Inmitten des Fürstlich Greizer Parks wurde nach 1768 ein Sommerpalais errichtet, als nach dem Aussterben von Reuß Jüngerer Linie beide Häuser wieder zusammen gelegt worden waren. Das klassizistische Sommerpalais ist in nur knapp 300 m Luftlinie vom Oberen Schloss entfernt gelegen und von dort gut sichtbar. Der Hof ­zog hierhin alljährlich für die Sommermonate um.